Friday 1 April 2011

Schöne neue Welt


Wir leben in einer schönen Welt. Zumindest die meisten von uns. Zumindest die meisten von uns die sich zu den glücklichen 25% der Weltbevölkerung zählen dürfen welche in den Industrieländern dieser Erde wohnen und Zugang zu Wasser, Nahrung und Bildung haben. Allerdings stoßen wir aus Dankbarkeit dafür auch gleich wieder drei Viertel der Emissionen der Erde  aus und bedienen uns hemmungslos an ihren Ressourcen.

In diesen 25% jedoch gibt es eine wachsende Zahl von Menschen, welche diese ungleiche Verteilung ungerecht findet und am liebsten gleich morgen abschaffen würde.
Schatz, ich fahr mal kurz zum Briefkasten.
Ich schätze mal die meisten von uns fühlen sich dieser Gruppe von Menschen, nennen wir sie mal die Guten, zugehörig. Uns gegenüber steht die breite, ignorante Masse und die skrupellosen Manager welche sich im Whirlpool liegend von ihren blonden Sekretärin mit Belugakaviar füttern lassen und anschließend mit ihrem monströsen SUV zum Golfplatz fahren wo sie mit Ihresgleichen beim 9er Loch neue Strategien entwerfen um noch an die letzten Reserven der dritten Welt rankommen.
So stelle ich mir das zumindest manchmal vor, deshalb die blonde Sekretärin.
Student´s choice
Wir jedenfalls sind nicht so. Wie sollten wir auch so sein? Wir sind ja Studenten und schaffen es meistens gerade so mit unseren knappen Mitteln durch den Monat zu kommen. Von dem wenigen was wir haben können wir uns weder ein spritfressendes Monsterauto leisten noch könnten wir Gartenstühle aus Tropenholz erwerben. Auch auf Diamanten, an denen eventuell Blut haften könnte, verzichten die meisten von uns. Manchmal kaufen wir Bio und  vielleicht hat sogar der eine oder andere noch eine Studimitgliedschaft bei Greenpeace laufen. Sollte ja auch so sein, wenn man schon auf seiner StudiVZ-Seite seine politische Einstellung als grün bezeichnet.
Wir scheiden also aus als Treibhausverursacher, Regenwaldmörder und Neokolonialisten.

Wenn das nun alles so ist, dann könnten wir uns ja zurücklehnen und hin und wieder, angesichts der  Schlechtigkeit der anderen, leise aufseufzen. Wir könnten aber auch die leere Weinflasche vom Vorabend mit Biosprit füllen und mit einem brennenden Hanftuch versehen in die nächste McDonalds Filiale werfen.

Oder wir überlegen uns nochmal ob wir wirklich alles getan oder vor allem gelassen haben um einerseits einigermaßen zivilisiert leben zu können und um andererseits unserer Verantwortung vor der Zukunft der Welt gerecht zu werden.

Mal sehen, fang ich doch mal bei mir an:
Eine Baseballmütze der Marke New York Yankees, ein Hemd Marke Blend of America, beide Made in China, Hose und Geldbeutel einer amerikanische Marke, Made in Tunisia. Na ja, aber immerhin sorgt man damit doch eigentlich auch für Arbeitsplätze in der dritten Welt, nicht wahr?
Coltan-Tantalit
Das Handy des Mitbewohners auf dem Wohnzimmertisch, was ist denn damit? Die Dinger sind doch High-Tech und werden in Finnland, USA oder seit neuestem in Rumänien hergestellt. Das schon, allerdings nur die Hauptbestandteile. Für das Funktionieren eines jeden Handy, Laptops oder einer Spielekonsole sind kleine Kondensatoren mit hoher elektrischer Leitfähigkeit nötig. Diese können jedoch nur aus einem seltenen Mineralerzmischung namens Coltan hergestellt werden. Und dieses findet man wie immer wo?

Genau, im tiefsten Afrika, genauer gesagt im Kongo, wo seit Jahren ein brutaler Krieg herrscht dem schon an die drei Millionen Menschen zum Opfer gefallen sind, für welchen aber nie in den Jahren diese Krieges jemals ein Handelsembargo gegen den Kongo oder die Nachbarstaaten Ruanda und Uganda, welche den Krieg schüren und das Land teilweise besetzen, verhängt wurde. Und genau diese Besatzer verkaufen dieses Mineral, dessen Erlöse den Kongo zu Friedenszeiten wohl in das reichste Land Afrikas verwandeln würden, um stattdessen mit den Erlösen den Krieg zu finanzieren.
Dankbare Abnehmer finden sie in den großen Elektronik- und Kommunikationsmittelkonzernen wie Sony, Nokia oder Dell. Welch Zufall dass die deutsche Regierung gerade eine 56 Millionen Euro teure Militäroperation zur Sicherung der Wahlen und der deutschen Wirtschaftsinteressen im Kongo plant, sich aber nur mit zwei Millionen an der Nothilfe für das Land beteiligt.

Kein Blut auf meinem Handy
Der eigentliche Skandal ist aber auch dass in den vergangenen Jahren hunderte von Zeitungsartikeln über den Zusammenhang zwischen dem Handy-Boom in Europa, Asien und Amerika und dem Krieg in Kongo erschienen sind welche aber ebenso wenig wie eine Kampagne belgischer Menschenrechtler mit dem Namen „Kein Blut auf meinem Handy“ dazu beigetragen haben dieses Thema in die Hinterköpfe der Gesellschaft zu bringen oder gar eine Diskussion in Gang zu setzen.

Weitere Beispiele gefällig? Die meisten von uns werden zum Beispiel die Brandrodung des tropischen Regenwaldes ablehnen und mancher würde vieleicht noch nicht mal auf einer Grillparty auf einem Gartenstuhl aus Teak-Holz Platz nehmen. Dennoch würden wir auf derselben Party ein schönes Steak grillen oder einen Milchshake mit Schuss genießen. Ist ja alles von deutschen Kühen. Das stimmt sogar, allerdings werden diese Kühe mit brasilianischem Sojabohnenschrot gemästet. Für dessen massenhaften Anbau wiederum wird der Regenwald im Amazonasbecken durch Brandrodung zerstört.

Tja, dann esse ich halt stattdessen Fisch, der wird ja hoffentlich wohl noch nicht mit Regenwaldsojabohnen an die Angel gelockt. Nehmen wir z.B. leckeren Viktoriabarsch vom Supermarkt unsres Vertrauens, dazu eine leichte Kräuter-Senf Sauce, mmmh lecker.
Leider klingt es nicht mehr so gut wenn man den Film „Darwins Nightmare“ gesehen hat.

Irgendwann in den sechziger Jahren wurde in den Viktoria See in Ostafrika im Zuge eines kleinen wissenschaftlichen Experiments eine fremde Fischart eingesetzt. Der Nil Barsch, ein hungriges Raubtier, hat es innerhalb von drei Jahrzehnten geschafft, fast den gesamten Bestand der ehemals 400 Fischarten auszurotten. Mit dem Effekt, dass es derzeit so einen Überfluss dieses fetten Fisches gibt, dass seine Filets in die ganze Welt exportiert werden. An den Ufern des größten tropischen Sees der Welt landen jeden Abend riesige Frachtflugzeuge, um am nächsten Morgen wieder in die Industrieländer des Nordens zu starten, beladen mit hunderten Tonnen frischer Fischfilets. In Richtung Süden jedoch ist eine andere Ladung an Bord: Waffen. Für die unzählbaren Kriege im dunklen Herzen des Kontinents.

Das letzte Beispiel betrifft wieder nahezu alle von uns die einen Computer besitzen und damit zum Beispiel Recherche für einen Essay zu betreiben oder sich ein Video ihrer Lieblingsband auf YouTube reinziehen. Fast fragt man sich was dabei das Problem sein sollte. Die Suchanfragen bei Google werden ja schließlich nicht von versklavten Afrikanern in Windeseile in der größten Bibliographie der Welt nachgeschlagen sondern auf elektronischem Wege in wenigen Millisekunden herausgesucht.
Google? I´m feeling lucky!
Dabei wird nach einer Studie der New York Times allerdings pro Anfrage soviel Strom verbraucht dass man damit eine Energiesparlampe eine Stunde lange leuchten lassen könnte.  Kein Wunder also  dass z.B. in den USA vierzehn Kraftwerke mit der jeweiligen Leistung eines mittleren Atomkraftwerks für die Kühlung und den Betrieb der Rechenzentren sorgen welche unsre Lieblingsseiten betreiben und dabei jede Menge CO² ausstoßen. Der weltweite Kohlendioxidausstoss durch Telekommunikation wird mittlerweile schon mit dem des weltweiten Flugverkehrs gleichgesetzt.

Keiner ist perfekt und keiner möchte sich jeden Tag vierundzwanzig Stunden mit den negativen Auswirkungen der Globalisierung beschäftigen. Aber man kann trotzdem kleine Gewohnheiten ändern und dadurch mitunter eine große Veränderung irgendwo auf der Welt auslösen.
Statt Aldi-Milch zu Spottpreisen kann man ja auch beim Discounter Biomilch kaufen, statt sieben Tage die Woche Fleisch vielleicht mal ´nen vegetarischen Tag einlegen und es ging früher auch schon ohne YouTube-Clips in denen sich Wildfremde beim Auf-Ex-trinken und sofortigen Erbrechen filmen lassen.
Sonst werden unsere Enkel später mal Sojamilch trinken und Algenburger essen müssen und schließlich, wenn sie sich über die unhaltbaren Zustände bei ihrem Abgeordneten beschweren möchten, erstmal eine halbe Stunde bei Kerzenlicht an der Handkurbel ihres Laptop drehen um genug Strom für fünf Minuten Internet zu haben.

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